Unter Liebhabern der großen Schweizer Käse (Emmentaler, Appenzeller, Greyerzer) hält sich hartnäckig das Gerücht, die Schweizer behielten die besten Käse für sich und würden sie niemals ins Ausland verkaufen. Aber das Ausland (in Gestalt seiner Lebensmittelhändler) könnte mit diesen Käsen auch gar nichts anfangen, denn sie erfüllen wie alle charaktervollen Lebensmittel die Grundanforderungen des Handels nicht, nämlich „immer verfügbar“ und „allzeit gleichschmeckend“ zu sein.
Das trifft bei Emmentaler nur auf die Produkte der großen Talmeiereien zu, die – keineswegs nur im Emmental, sondern in fast allen Kantonen des Landes – 15.000 Tonnen „Emmentaler“ jährlich produzieren, den weitaus größten Teil davon für den Export. Auch das ist, völlig unbestritten, ein achtbarer Käse, aus Rohmilch von Kühen gemacht, die ohne Silage, also nur mit Gras und Heu gefüttert wurden, und vier Monate gereift. Er ist aber nicht vergleichbar mit diesem „Echten Emmentaler“, den wir aus dem Zentrum des Emmentals, aus Trubschachen bei Langnau herbeigeschafft haben. Neben den vielen molkereitechnischen Unterschieden (Alpmeierei versus Großmeierei) liegt die wesentliche Differenz darin, daß es wirklich örtliche, also „Emmentaler“ Käsekulturen sind, die die Milch zum Bruche reifen lassen.
Diese sogenannten Fettsirten-Kulturen bilden sich auf der Grundlage der Molke, aber unter dem Einfluß nicht nur des örtlichen Kleinklimas, sondern auch des Grasaufwuchses der Alpweiden und der in der Meierei verbauten Holzarten. Sie verstetigen gewissermaßen den einzigartigen Geschmack der Region und prägen jeden Käselaib mit dem für das Emmental typischen Aroma. Die großen Produzenten hingegen verwenden – im Dienste des Gleichgeschmacks – industriell vorgefertigte Starterkulturen, die einem „Großen Käse“ vorenthalten, was ihn eigentlich erst ausmacht: Terroir oder die Landschaft als Gaumenfreude.
Echter Alm-Emmentaler (Slow Food Presidio)*.
Dieser auch „Gotthelf“ genannte echte Alm-Emmentaler von der Käserei Hüpfenboden ist der einzige Emmentaler mit Slow Food-Label. Als Almkäse ist er immer ein Sommerkäse. Produziert werden nur zwei Laibe pro Tag. Reife mindestens14 Monate, Fettanteil 45 %, fein-mürbe Textur mit Kristallen, leicht süßlicher Geschmack wie nach gerösteten Cashew-Nüssen.
Der lange haltbare Sbrinz, ebenfalls ein Sommerkäse, kommt von Käser Andreas Gut auf der 1.400 Meter hoch gelegenen Alp Chieneren. 30 Monate gelagert und zusätzlich 3 bis 6 Monate im feuchten Bergstollen affiniert. Schmeckt blumig-aromatisch nach Kamille und ist in der Textur cremig-buttrig mit vielen Salzkristallen.
Ein echter Appenzeller wird wie vor 700 Jahren in rund 50 Dorfkäsereien im streng begrenzten Produktionsgebiet zwischen Alpstein und Bodensee gemacht. Ohne Zusatzstoffe und ausschließlich aus der Rohmilch freilaufender Kühe. Dieser ist von Traber Käse aus dem ostschweizerischen Toggenburg; behandelt mit eigener Kräutersulz zur Pflege des Käses in der Reifezeit.
Ehemals ein Hochgenuß. Das Bündner-Fleisch. Hier kommt der Genuß zurück.
Der berühmte Notvorrat der Schweizer Bergbauern ist heute weitgehend verdorben: Beliebiges Rindfleisch, oft aus Brasilien, wird in Trockenkammern verarbeitet. Der Traditionsbetrieb Bischi in Graubünden dagegen verwendet nur erstklassiges Fleisch von heimischen Kühen und produziert mit Naturtrocknung, also ohne Klimaräume. Das Salzen, Würzen und Schichten, das wiederholte Pressen and Aufhängen in bergluftigen Räumen beansprucht drei bis fünf Monate. Das alles ist deutlich riech- und schmeckbar.
*„Slow Food Presidio“ ist eine Initiative der Slow Food Stiftung, die konkrete Beispiele einer traditionellen Landwirtschaft auszeichnet. Die Kriterien für die Vergabe des Siegels sind streng: „Slow Food Presidio“-Produkte müssen regional erzeugt und traditionell verarbeitet sein. Sie dienen dem Erhalt der biologischen Vielfalt, lokaler Wertschöpfungsketten und einzigartiger Kulturlandschaften. Presidio – das Wort stammt aus dem Italienischen und bedeutet „Schutzraum“. Diese Bezeichnung ist in doppelter Hinsicht treffend: Presidio-Produkte schützen traditionelle Pflanzensorten, Tierrassen und das Wissen um ihre Verarbeitung. Gleichzeitig sind sie besonders schützenswert, weil sie die kulturelle Identität ihrer Ursprungsregion – auch geschmacklich – bewahren.